Freitag, 22. November 2013

TERRA SF 181 - K.H. Scheer : Amok


Karl Herbert Scheer : Amok
Terra SF 181, 14.07.1961
gekürzter Nachdruck des gleichnamigen Leihbuchs von 1960
Titelbild : Johnny Bruck


"Eines Tages wird das Triebwerk für den überschnellen Raumflug entwickelt werden, und dann gehören uns die Sterne." Dies sagte ein irdischer Wissenschaftler, und nur sechzig Jahre später verlassen die ersten Riesenraumschiffe das solare System. Eines davon landet auf einer fernen Welt, und die Nachkommen der interstellaren Raumfahrer beginnen zu vergessen.

Sie vergessen Kultur und Ethik, Wissenschaft und Technik. Eine wahrhaft neue Welt entsteht, und eine früher undenkbare Gesellschaftsordnung entwickelt sich. Der Mensch wird zum Spielball seiner Triebe und Leidenschaften. Machtgier, Mißgunst und Leid verbreiten sich. Ein junger Planet wird vom Menschen umgeformt.

Nur ein hervorragender Könner der utopischen Literatur darf es wagen, ein derart schwieriges Thema unter seine Feder zu nehmen. "Amok" nannte K. H. Scheer seinen neuesten Roman. Selten traf ein Titel besser zu. Raskil Tobener wurde als Sohn eines gesetzlich geduldeten Mutanten geboren. Sklaventum und Nervengeißel werden für ihn zu vertrauten Begriffen, bis sich für ihn das Tor zum "Turm der Zehntausend" öffnet. Sein Geist beginnt zu triumphieren, und Atomphysik bleibt für ihn nicht länger ein religiöser Begriff.

Ein räumlich übergeordnetes Zeitschloß öffnet sich zur Gruft des "Ewigen", und Raskil Tobener erfährt das Wissen um die Dinge. Für die wenigen Revolutionäre gegen Gesetz und Brauch wird er zum Idol. Als das alte Raumschiff die Oberfläche der fremden Welt berührt und tosend zerbricht, findet Tobener die letzten Erkenntnisse. Etwas löst sich aus dem Urschlamm seiner Welt, um mit vielfacher Lichtgeschwindigkeit dem Ursprungsort seiner Rasse zuzueilen. Erst dort erfüllt sich das weltweite Geschick einiger Menschen, die sich nicht mehr Menschen nennen durften. "Amok" ist ein Roman von betäubender Wucht. Der Verfasser erzählt niemals, schildert niemals - er erlebt! Eine fremde Welt wird zur absoluten Wirklichkeit, und es gibt nichts, was den Leser in dieser einmalig geschriebenen Illusion erschüttern könnte - bis zur letzten Seite! Dieser Roman gehört zur Spitzenklasse der utopischen Weltliteratur.
Klappentext des BALOWA-Leihbuchs

Mit diesem Roman zeigt sich einmal mehr die zu dieser Zeit revolutionäre humanistische Einstellung Karl Herbert Scheers. Aus "Homo homini lupus" macht er einen Roman, der die Unmenschlichkeit autokratischer Systeme mehr als deutlich darstellt. Ich kann mich dem letzten Satz des Klappentextes nur anschließen, einer der großen Romane von KHS.

Jedenfalls in dieser Form, als gekürzter Heftroman. Im Gegensatz zu den Langfassungen kommt "Amok" die Kürzung hier sehr zugute, die Langweiligkeit des ersten Teils wird hier dynamisiert und insgesamt habe ich das Gefühl, daß der Roman in dieser Form eher eine Einheit ist als die Langform, die von Thomas Harbach als "Baukasten" bezeichnet wird. Wie bei den "Gor"-Romanen ein Paradebeispiel dafür, daß manchmal Kürzungen die Romane deutlich verbessern, sozusagen ein nachträgliches Lektorat darstellen.

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